
Unmögliches bauen: Präzisions-KI trifft Quanten-Innovation – mit Travis Scott
Wie FINETECH KI, Photonik und Produktion zusammenbringt Ein Gespräch zwischen Maximilian Hahnenkamp (Scavenger AI) und Travis Scott (Product Manager, FINETECH, Berlin)
FINETECH baut in Berlin hochpräzise Die-Bonding-, Packaging- und Assembly-Systeme für das Back-End der Halbleiterfertigung. Die Maschinen platzieren winzige bis große Komponenten mit submikrometrischer Genauigkeit und unterstützen nahezu alle gängigen Fügetechnologien – ideal für Cutting-Edge-R&D und frühe Kleinserien.
Kernstärken: modulare Plattformen, Prozessvielfalt, extrem hohe Positioniergenauigkeit
Kundennähe: Engineering-Support von Applikation bis Prozess – von der ersten Machbarkeitsstudie bis zum Übergang in die Produktion
„Unsere Systeme sind so flexibel und präzise, dass viele Deep-Tech-Teams drei oder vier Bonding-Verfahren auf derselben Maschine evaluieren – und später damit direkt in die Kleinserie gehen können.“ — Travis Scott
Marktzyklus statt Dauerhype
Trotz KI-Booms spürt FINETECH die typischen 3- bis 5-Jahres-Zyklen der Halbleiterindustrie:
Früher Wachstumstreiber: optische Transceiver für Rechenzentren
Aufsteigend: Quanten-Technologien und neue Photonik-Anwendungen
Aktueller Takt: eher konsolidierend als überhitzt – entgegen der medialen Wahrnehmung
Global gebaut, digital betreut
Travis hat Jahre zwischen Asien (Thailand, Taiwan, China, Korea), den USA und Europa verbracht. Produktion und Lieferketten sind global verflochten; die Zusammenarbeit verteilt sich über Zeitzonen.
Seit COVID verschiebt sich viel von „on-site“ zu Remote-Troubleshooting (Teams, TeamViewer) – ökologisch sinnvoll, kosteneffizient und familienfreundlich. Dennoch bleibt: Hands-on vor Ort ist für bestimmte Probleme unersetzlich.
Wo KI heute in die Präzisionsfertigung passt
Travis sieht keine vollautonomen Maschinen in den nächsten 5–10 Jahren. Stattdessen kommt KI modular dorthin, wo sie sofort Wert stiftet:
Vision & Pattern Recognition: Alignment, Marker-Erkennung, AOI/Defect Detection
Automatische Korrekturen & Error-Handling: aus Bild- und Prozesssignalen
Wissensagenten intern: Such- & Q&A-Layer auf technischem Know-how (Prozessparameter, Service-Historien, Begründungen früherer Entscheidungen)
Onboarding-Booster: schneller Informationszugang für neue Engineers – ohne menschliche Mentoren zu ersetzen
Missverständnis #1: „KI überall“.
Realität: Oft reicht Logik/Automation. Occam’s Razor gilt – KI dort einsetzen, wo sie klar überlegen ist.
Warum viele KI-Vorhaben stecken bleiben – und wie man es dreht
Nicht die Technik, sondern die Menschen sind der Hebel:
Champions finden: intrinsisch neugierige, leidenschaftliche Kolleg*innen treiben Tempo und Adoption.
Use-Case vor Tech: Problem definieren → Daten zugänglich machen → pragmatisch iterieren.
APIs & Modularität nutzen: Systeme bauen, die sich einklinken lassen, statt Monolithen.
Datenarbeit zuerst: Weg von Excel-Inseln hin zu strukturierten, auffindbaren Wissensspeichern.
„Der größte Beschleuniger ist nicht ein neues Modell, sondern Menschen im Unternehmen, die wirklich brennen – sie bringen die Teile zusammen und machen es nutzbar.“ — Travis Scott
Unterbewertete Chancen für KI im Hardware-Kosmos
KI-gestützte Vision & Motion Control auf Sub-µm-Niveau (Alignment, Platzierung, AOI)
Produktions-Datentracking (MES/SECS/GEM & Co.): Traceability über Wafer-, PCB-, Batch- und Prozessketten – KI hilft, Rückrufe und Anomalien schneller zu isolieren
Service-Assistenz: Troubleshooting-Wissen kontextualisiert bereitstellen (Parameter, Tooling, „Why“-Historie)
Zehn-Jahres-These: Das optische Internet + Quanten als Verstärker
Travis verortet uns technologisch dort, wo das Internet in den 80/90ern stand – am Anfang einer S-Kurve:
Elektronen → Photonen: Optik rückt näher an GPU/CPU/Quantum-Die (Co-Packaging, Silicon Photonics)
Vorteile: höhere Geschwindigkeit, weniger Verlust/Wärme/Leistung, längere Distanzen
Hürden: Optische Systeme sind komplizierter & teurer – bis Skaleneffekte greifen
Quantum-Bausteine: Quantenkommunikation, QKD, Sensing erweitern Infrastruktur und Sicherheit
Ergebnis: Ein erweitertes, optisch getriebenes Internet, das Rechen- und Datenpfade grundlegend beschleunigt – und damit neue Geräteklassen und Produktionsprozesse ermöglicht.
Pragmatische Takeaways für Industriebetriebe
Start small, ship fast: Beginnt mit Vision/AOI & Wissenssuche – klar messbarer ROI.
Daten aufräumen: Metadaten, Versionierung, Prozess-„Why“ dokumentieren und zentralisieren.
KI dorthin bringen, wo gearbeitet wird: Buttons, Workflows, Korrekturschleifen – nicht nur Chat.
People First: interne KI-Champions fördern; Schulungen pragmatisch, Tools selbsterklärend.
Kein KI-Abzeichen: Wenn klassische Automation reicht, reicht sie.