Künstliche Intelligenz ist überall. Auf LinkedIn, auf TikTok, in Unternehmensstrategien und in politischen Debatten. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit: Ist KI ein Produktivitätsbooster, eine Wunderwaffe – oder doch ein Jobkiller?
In einer Podcastfolge von Scavenger AI spricht Maximilian Hahnenkamp mit Irina Gebauer, Managing Director bei Syntea+ und Teil der IU Group, über genau diese Spannungsfelder: KI-Hype, Fake News, Kompetenzlücken – und darüber, warum wir dringend lernen müssen, souverän mit KI zu arbeiten.
Von Medienkompetenz zu KI-Kompetenz
Irina Gebauers Weg in das Thema KI ist alles andere als geradlinig. Publizistik, Schauspiel, Produktmanagement in Software-Unternehmen – und doch zieht sich ein roter Faden durch ihre Stationen: das Verständnis dafür, wie Technologie unser Verhalten verändert.
Schon früh zeigte sich, dass technologische Entwicklung schneller voranschreitet als gesellschaftliche Kompetenz. Was früher als „Digital Divide“ beschrieben wurde, zeigt sich heute in neuer Form:
Nicht jeder kann KI verstehen, nutzen oder kritisch einordnen – obwohl sie längst Teil des Alltags ist.
Genau hier setzt moderne KI-Kompetenz an: nicht als rein technisches Wissen, sondern als Erweiterung klassischer Medienkompetenz.
Warum KI oft überschätzt – und gleichzeitig missverstanden wird
Ein zentrales Problem der aktuellen Debatte: KI wird fast ausschließlich mit generativer KI gleichgesetzt. ChatGPT, Midjourney oder Copilot dominieren die Wahrnehmung – während vergessen wird, dass KI seit Jahrzehnten existiert und viele Formen hat.
Das führt zu zwei Extremen:
KI als Allheilmittel, das Unternehmen „einfach einführen“ müssen
KI als Bedrohung, die Arbeitsplätze ersetzt
Beides greift zu kurz. KI ist weder allwissend noch objektiv. Sie ist ein Spiegel ihrer Trainingsdaten, der dahinterliegenden Entscheidungen – und der Prompts, die Menschen ihr geben.
Verwirrung entsteht dort, wo Marketing-Narrative, Hype und fehlendes Grundverständnis aufeinandertreffen.
Fake News, Algorithmen und die neue Aufmerksamkeitökonomie
Besonders kritisch wird es dort, wo KI auf soziale Medien trifft. Inhalte werden heute nicht nach Wahrheitsgehalt, sondern nach Engagement priorisiert. Emotionale, visuelle und bestätigende Inhalte verbreiten sich schneller als überprüfte Fakten.
Irina Gebauer beschreibt zwei Ebenen, die dabei ineinandergreifen:
Die psychologische Ebene
Emotionen wie Angst, Neugier oder Empörung
Bestätigungs-Bias: Wir glauben, was unsere Meinung stützt
Visuelle Inhalte wirken „echt“, weil wir sie sehen
Die algorithmische Ebene
Personalisierte Feeds verstärken bestehende Überzeugungen
Engagement schlägt Faktentreue
Informationsüberflutung („Flood the Zone“) erzeugt Verwirrung statt Klarheit
Das Ergebnis: Fake News, Deepfakes und manipulierte Inhalte werden immer schwerer erkennbar – mit realen Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und sogar Finanzmärkte.
Vier Dimensionen moderner KI-Kompetenz
Um dieser Entwicklung zu begegnen, braucht es mehr als Tool-Einführungen. Aufbauend auf internationalen Frameworks (u. a. UNESCO, OECD) lassen sich vier zentrale Kompetenzdimensionen definieren:
Verstehen
Grundlegendes Wissen darüber, wie KI-Systeme funktionieren – ohne selbst Entwickler zu sein.Anwenden
KI zielgerichtet, verantwortungsvoll und kontextbezogen nutzen.Bewerten
KI-generierte Inhalte kritisch hinterfragen: Quelle, Ziel, Verzerrung, Zuverlässigkeit.Gestalten
KI aktiv einsetzen, Wissen teilen und ethisch reflektiert weiterentwickeln.
Gerade kritisches Denken wird durch KI nicht ersetzt – sondern wichtiger denn je.
Newskilling statt Upskilling: Lernen in einer KI-geprägten Arbeitswelt
Im Kontext von Unternehmen unterscheidet Irina Gebauer bewusst zwischen Upskilling und Newskilling.
Upskilling vertieft bestehende Fähigkeiten
Newskilling ergänzt sie um neue Kompetenzen, die durch technologische Veränderungen notwendig werden
KI erfordert kein komplettes Neulernen von Berufen – aber neue Denkweisen, neue Arbeitsroutinen und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Wie Synthia KI-Kompetenz in den Arbeitsalltag integriert
Mit Synthia verfolgt Syntea+ einen impliziten Ansatz: Lernen nicht als Kurs, sondern als Teil der täglichen Arbeit.
Das System:
passt sich Rolle, Zielen und Use Cases der Nutzer an
baut Kompetenzprofile im Hintergrund auf
unterstützt bei Prompts, Faktenchecks und Einordnung
ermöglicht Wissensaustausch und Wiederverwendung von Ergebnissen im Team
So entsteht eine Kombination aus Kompetenzaufbau, Wissensmanagement und Effizienzsteigerung – ohne zusätzliche Einstiegshürden.
Typische Fehler bei der Einführung von KI im Unternehmen
Ein wiederkehrendes Missverständnis:
KI wird eingeführt – und soll „von selbst“ wirken.
In der Praxis zeigt sich:
fehlende Nutzung durch Unsicherheit oder Angst
mangelnde Vorbilder im Management
keine klaren Strukturen für Lernen und Austausch
Erfolgreiche Unternehmen begleiten KI aktiv: mit internen Formaten, Experimentierraum, klarer Kommunikation – und der Botschaft, dass KI kein Jobrisiko, sondern ein Werkzeug ist.
Europäische Skepsis – Stärke oder Blockade?
Skepsis ist kein Nachteil. Sie schützt vor blinder Technologiegläubigkeit.
Problematisch wird sie dort, wo sie zu Stillstand führt.
Im internationalen Vergleich zeigt sich:
USA: Experimentierfreude und Fehlertoleranz
China: Pragmatismus und schnelle Skalierung
Europa: Qualität, Regulierung, Datenschutz
Gerade Europa könnte KI erfolgreich gestalten, wenn regulatorische Stärke mit mehr Mut zum Testen kombiniert wird.
Wie KI Lernen und Arbeit in den nächsten fünf Jahren verändert
Der Blick nach vorn ist klar:
KI wird so selbstverständlich in Arbeitsprozesse integriert sein, dass nicht mehr gefragt wird ob, sondern wie sie genutzt wird.
Weiterbildung wird stärker:
implizit
personalisiert
direkt im Arbeitskontext stattfinden
Nicht als Ersatz für Menschen oder Bildung – sondern als Verstärker individueller Fähigkeiten.
Eine mögliche Zukunfts-Schlagzeile
„KI-Kompetenz wird zur Schulpflicht – und verändert unsere Gesellschaft nachhaltig zum Positiven.“
Eine Vision, die deutlich macht:
Nicht die Technologie entscheidet über unsere Zukunft – sondern unsere Fähigkeit, kompetent mit ihr umzugehen.
