Der Weg zur Data Driven Organisation und wie echte KPIs ein Unternehmen steuern - mit Flo Schimpe

Nov 26, 2025

Maximilian Hahnenkamp

Datengetriebene Entscheidungen, Data Ownership & KI im Marketing. Ein Gespräch mit Florian Schimpe, Director Data & Analytics (TWT Gruppe) über Data Analytics, Change Management und die Zukunft von KI

Datengetriebene Entscheidungen sind seit Jahren eines der wichtigsten Versprechen der Digitalisierung – doch nur wenige Unternehmen setzen sie konsequent um. Im Podcast sprechen Max von Scavenger AI und Florian, Head of Data & Analytics der TWT-Gruppe, über genau diese Lücke: Warum Datenprojekte scheitern, wie man sie erfolgreich macht und wie KI die gesamte Arbeit mit Daten verändert.

TWT-Gruppe: Wo Daten, Marketing und Technologie zusammenlaufen

Die TWT-Gruppe bewegt sich zwischen Professional Services (Softwareentwicklung, UX, Projektmanagement) und Agenturgeschäft (Marketing, Social, SEO, KI). Florian leitet dort den Bereich Data & Analytics und arbeitet eng mit Performance-, Social- und SEO-Teams zusammen.

Sein Anspruch ist klar:

„Wir denken datenbasiert und userzentriert – und immer unter dem Credo: wirksam.“

Warum Daten? Die Faszination der objektiven Wahrheit

Florian kommt ursprünglich aus dem Performance-Marketing. Was ihn an Daten begeistert, ist ihre Radikalität:

„Mich hat schon immer die objektive Wahrheit gereizt – nicht das Bauchgefühl, ob eine Anzeige schön ist.“

Daten ermöglichen Entscheidungen, die direkt mit Businesszielen verknüpft sind. Dadurch entsteht Klarheit: Was wirkt wirklich? Welche Maßnahmen zahlen auf Umsatz, CLV, Leads oder Customer Engagement ein?

Warum viele Unternehmen trotz Technologie scheitern

Viele Firmen besitzen gute Tools und Infrastruktur. Trotzdem fällt es ihnen schwer, die Potenziale auszuschöpfen. Für Florian hat das wenig mit Technik zu tun, sondern mit Organisation und Kultur.

„Es ist der Connect zwischen technischer Seite und Business-Seite. Datenarbeit ist immer ein Change-Thema.“

Oft prallen jahrzehntelange Erfahrungswelten („das haben wir immer so gemacht“) auf harte Fakten („die Anzeige ist schön, aber sie performt nicht“). Dieser Bruch ist organisatorisch anspruchsvoll – und selten sauber moderiert.

Was in der Praxis funktioniert: klein anfangen, schnell skalieren

Viele Dateninitiativen scheitern an ihrer Größe. Unternehmen wollen direkt eine Drei-Jahres-Datenstrategie entwickeln, Rollen definieren, Teams reorganisieren – und verlieren dabei Tempo und Motivation.

Florian empfiehlt das Gegenteil:

  • mit kleinen Projekten beginnen

  • klare Ziele setzen

  • einen sauberen POC liefern

  • Erfolge sichtbar machen und kommunizieren

Low-hanging fruits sind laut Florian unter anderem:

  • erste, einfache AB-Tests

  • Marketing-Effizienz neu denken (nicht nur Clicks & Impressions, sondern Wertbeiträge wie CLV)

  • Customer Journey erstmals visualisieren

  • Standardreportings automatisieren – idealerweise ohne Excel

  • erste Insights via KI abrufen

Diese überschaubaren Schritte schaffen schnelle Erfolge und politische Akzeptanz.

Wie erfolgreiche Datenprojekte im Unternehmen verankert werden

Ein häufiger Fehler: Ein guter POC wird in einer 60-Seiten-Präsentation verpackt und geht in Abstimmungsschleifen unter. Florian empfiehlt stattdessen:

„Ein One- oder Six-Slider reicht. Was war die Frage? Was ist rausgekommen? Was bringt es fürs Business?“

Die technische Tiefe ist an dieser Stelle irrelevant. Entscheidend ist, dass Stakeholder den Mehrwert verstehen und neugierig werden.

Florian schwört deshalb auf eine Open Door Policy: Wer Interesse hat, soll kommen und Fragen stellen dürfen. Das sorgt für natürlichen, organischen Wissensfluss – weit wirksamer als top-down Zwangsmaßnahmen.

Data Ownership: Der Dreh- und Angelpunkt jeder Datenstrategie

Der wichtigste Satz im ganzen Gespräch ist wahrscheinlich dieser:

„Alle Diskussionen stoppt man, indem man eine Person oder ein Team benennt, das responsible ist.“

Ohne klare Data Ownership kommt es zu:

  • endlosen KPI-Diskussionen

  • unterschiedlichen Definitionen derselben Metrik („Was ist ein Lead?“)

  • schlechter Datenqualität

  • fehlender Entscheidungsautorität

  • Verzögerungen bei Analysen

Data Ownership definiert:

  1. Was bedeutet eine Kennzahl?

  2. Wer ist für Qualität verantwortlich?

  3. Wer trifft Entscheidungen auf Basis der Daten?

Flo bringt es immer wieder auf den Punkt: Nichts ist wichtiger, wenn ein Unternehmen ernsthaft datengetrieben arbeiten will.

Wie ein ideales Reporting-Setup aussieht

Florian denkt hier in drei Ebenen und verknüpft sie klar miteinander:

1. Strategische Ebene (C-Level)

Der „Nordstern“ – eine Kennzahl, die beschreibt, ob das Unternehmen gesund wächst.

„Wenn diese eine Zahl wächst, wächst die Firma gesund.“

2. Taktische Ebene (Management)

OKR-Tracking, Performance-Monitoring, Zielerreichung einzelner Teams.

3. Operative Ebene (Fachabteilungen)

Detailmetriken, die nötig sind, um täglich zu steuern.
(CPC, CTR, Scrolltiefe, Warenkorb-Abbruch, etc.)

Damit wird Datenarbeit klar strukturiert und verliert ihren diffusen Charakter.

Was KI heute realistisch kann – und was nicht

KI verändert die Datenarbeit massiv. Für Florian ist KI in erster Linie ein Beschleuniger, kein Ersatz.

„Ich muss heute kein Analyst mehr sein, um erste Fragen beantworten zu können.“

KI kann:

  • erste Analysen automatisch ableiten

  • Kampagnen optimieren

  • Creatives variieren

  • Daten synthetisieren

  • Standardreportings automatisch generieren

Aber: KI ist extrem abhängig von der existierenden Datenbasis.

„Mit schlechten Daten wird KI zum Chaosverstärker.“

Tools ersetzen keine saubere Datenstrategie. Schlechte Daten führen zu schlechten Empfehlungen – egal ob Mensch oder Maschine.

Blick in die Zukunft: Agentic Systems & Invisible BI

Florian ist überzeugt, dass wir in den nächsten drei Jahren einen massiven Sprung sehen werden:

  • Agentic Systeme, die operative Marketing-Aufgaben selbst erledigen

  • preskriptive Analysen, die konkrete Handlungsempfehlungen liefern

  • Invisible BI, die proaktiv Insights an Teams schickt

Das bedeutet:

Montagmorgens bekommt ein Produktmanager automatisch eine Zusammenfassung der wichtigsten KPIs inklusive Handlungsvorschlägen – bevor er überhaupt danach gefragt hat. Die BI wird unsichtbar und trotzdem allgegenwärtig.

Was Unternehmen morgen ändern sollten

Wenn Unternehmen nur eine Sache sofort verbessern könnten, dann diese:

„Definiert Data Ownership. Das ist die Basis für alles.“

Mit klarer Verantwortlichkeit verschwinden Missverständnisse, KPI-Diskussionen und Reporting-Chaos. Teams können erstmals autonom entscheiden – und datengetrieben arbeiten.