KI, Technologie und die Zukunft des Fußballs - mit Georg Pangl

Sep 29, 2025

Maximilian Hahnenkamp

Ein Gespräch zwischen Maximilian Hahnenkamp (Scavenger AI) und Georg Pangl (MD, Pangl Football Group; ehem. ÖFB, UEFA, Vorstand der Österreichischen Bundesliga)

Vier Jahrzehnte Fußball – vom ÖFB-Nationalteam über UEFA-Finals bis zur Österreichischen Bundesliga. Kaum jemand kennt das Spiel hinter dem Spiel so gut wie Georg Pangl. Im Gespräch mit Maximilian Hahnenkamp von Scavenger AI spricht Pangl über Bodycams, VAR, KI im Leistungsbereich, Smart Stadiums – und darüber, warum Europas Clubwettbewerbe längst wie eine De-facto-Super League funktionieren.

Vom Maschinenraum des Fußballs

Pangl blickt auf eine seltene 360°-Karriere: Teammanager, UEFA-Projektleiter für Champions-League-Finals, Ligavorstand, heute Unternehmer. Dieses Privileg, sagt er, habe ihm „tiefe Einblicke in Prozesse“ gegeben – inklusive der leisen Evolution, die die Champions League zur Superliga gemacht habe: „Kann man in meinem Buch nachlesen.“

„Der Fußball war lange konservativ. Aber wo Milliarden im Spiel sind, setzt sich Technologie durch.“ – Georg Pangl

Tech, die bleibt: VAR, Goal-Line & Bodycams

Was vor 20 Jahren undenkbar war, ist Standard: Goal-Line-Technology, VAR, neue Kameraperspektiven. Pangl ist u. a. bei Mindfly Bodycam involviert – zuletzt lieferte das Tor von Gravenberch (Newcastle–Liverpool) eine Schiedsrichter-Perspektive auf Augenhöhe. Für ihn ist klar: So wie die Formel 1 vom „Lauda-Rost“ zum Cockpit-Erlebnis wurde, werden Fans im Fußball künftig mitlaufen – „bei Schiedsrichtern und Superstars“.

Als fußballromantischer Konservativer beugt er sich der Evidenz: Technologie erhöht Fairness, Transparenz – und schützt Wertschöpfung.

KI kommt in jeden Clubbereich – vom Trainingsplatz bis zum CRM

Pangl sieht KI nicht als Buzzword, sondern als Effizienz-Hebel über die gesamte Wertschöpfung:

  • Training & Taktik: situatives Coaching, Mustererkennung, Live-Adjustments.

  • Scouting & Kaderbau: datengetriebene Profile, Verletzungs- und Performance-Prognosen.

  • Spielnahe Analytics: Gegnerprofile, Set-Piece-Optimierung, Belastungssteuerung.

  • Stadion/Commercial: Dynamic Pricing, Fan-Journey, Merchandise-Konversion, Partner-Activation.

Early Movers gewinnen: „Wie bei Ernährungsberatung und Athletik vor 20 Jahren: KI wird Standard – wer früher operationalisiert, baut Vorsprung auf.“

Smart Stadiums: Europa holt auf – USA zeigt die Blaupause

Europa macht Fortschritte (u. a. Johann-Cruyff-Arena, Allianz Arena, Wembley). Doch was Pangl vor 15 Jahren in den USA sah, gilt bis heute als Benchmark: personalisierte In-Stadium-Journeys von Check-in bis Checkout, Angebote in Echtzeit, Geburtstagsrabatte, vorbestelltes Trikot in passender Größe. Fazit: Software-Exzellenz entscheidet – und kleinere, wendige Clubs sind oft schneller als TV-geldgesättigte Schwergewichte.

„Champions League = Super League?“ – Pangls nüchterne Diagnose

Für Pangl ist die reformierte Champions League faktisch bereits eine Super League: fixe Startplätze für die großen Ligen, dauerhafte Präsenz derselben 30 Top-Clubs, Quali-„Gemetzel“ für den Rest. Sportlich attraktiv, wirtschaftlich logisch – zugleich öffnet sich die Schere weiter: Ein Zehntel der Profiklubs sitzt am großen Futtertrog, der Rest lebt von Solidarzahlungen.

„Die UEFA hat das smart gelöst. Aber Spannung ist das höchste Gut. Wenn sie verloren geht, verlieren wir den Kern des Spiels.“ – Georg Pangl

Österreich im Spiegel: viel Können, falsche Prioritäten

Pangl würdigt Österreichs Innovationskraft (u. a. ElsLab mit dem FC Bayern, Striker Labs – Union Berlin mit den wenigsten Ausfalltagen in der Bundesliga, AXPone für Club-Administration). Gleichzeitig mahnt er Priorisierung an:

  • Invest in Strukturen statt Fehleinkäufe: „Ein Spieler weniger, dafür Analytics, Medizin & Prozesse besser aufstellen.“

  • Eigene Talente entwickeln: Zu viele Durchschnitts-Transfers blockieren Durchbrüche.

  • Akademien relaunchen: Übergang in die Kampfmannschaft professionalisieren – auch mit KI-Unterstützung.

Geld schießt (leider) Tore – und Daten planen sie

Saudi-Staatsfonds, Premier-League-TV-Macht: Historische Schwergewichte geraten unter Druck. Neue Top-Klubs wie Newcastle werden sich – Kapital vorausgesetzt – in den Titelkampf einkaufen. Außenseiter-Märchen bleiben möglich, aber selten. Realismus schlägt Wunschdenken.

Konkrete Handlungsempfehlungen für Clubs (jede Größenordnung)

  1. KI als Operations verankern: Sport, Medizin, Scouting, Ticketing, CRM – mit klaren Verantwortungen, Datenstandards, Ziel-KPIs.

  2. Injury- und Load-Management priorisieren: Verfügbarkeit ist der größte Multiplikator für Punkte & Transferwerte.

  3. Scouting 2.0: Daten + Video + Coach-Fit. Forecast statt Highlight-Reel.

  4. Smart Stadium quick wins: Dynamic Pricing, Segment-Kampagnen, In-Seat-Delivery-Pilots, Post-Match-Commerce.

  5. Talentpfad schließen: U-Akademie → B-Team → Minutes-Management in der Kampfmannschaft (statt Parken/Leihen ohne Plan).

  6. ROI transparent machen: Jeder Euro in Analytics/Medizin/Prozess gegen Opportunitätskosten eines „Fehltransfers“ rechnen.

Blick nach vorne – und ein kleines Orakel

Pangls Wunsch für Europa: Spannung erhalten, Schere eindämmen (Salary-Caps-Debatte sachlich führen), Wettbewerb planbar machen – ohne Magie zu verlieren.
Für Österreich ist er trotz Gegenwinds optimistisch: WM-Quali? „Wir fahren sicher.“ Vier Punkte aus Zypern/Bosnien wären okay, sechs sind machbar – dank Teamchef und Spielerkern.

„Technologie ist Mittel zum Zweck. Am Ende zählen kluge Prioritäten, klare Prozesse – und der Mut, Talenten echte Minuten zu geben.“ – Georg Pangl